gut eingerichtet

Das Projektil in der Wand „gut eingerichtet“: Ausstellung im Freiburger Kulturwerk T66

 

Gehäkelte Fliegenfallen, Luftballons aus schwarzem Glas, liebestolle, außer Rand und Band geratene Elektrokabel. Schließlich ein Klo, das sich die Lippen leckt - erfrischend originell ist sie, die neueste Ausstellung im schmucken Turm des Kulturwerks T66. Als Kurator fungiert der 18-jährige Leon Hoesl, Spross eines prominenten Freiburger Künstlerpaares. Der Schüler, schon als jüngstes Jury-Mitglied an der letzten Regionale beteiligt, fühlte sich von den Eingaben junger Schweizer Künstlerinnen besonders angesprochen. Und der Titel seiner ersten eigenen Ausstellung im BBK-Turm drängte sich ihm geradezu auf: „gut eingerichtet“. Beschäftigen sich doch sämtliche Arbeiten mit Raumgestalt und Interieur.

 

Monika Ruckstuhl, Absolventin der Städel-Schule, hat sich lange mit Landschaften beschäftigt. Deren Formen und Lichtqualitäten lassen sich mitunter auch in den Einrichtungsgegenständen und engen Raumausschnitten wiederfinden, die sie im ersten Obergeschoss präsentiert: ein Stuckelement mit Lampe, ein weißer Lampion, der Ausschnitt eines Doppelbetts. Banal all dies, aber von nicht geringer Suggestionskraft. Sandra Rau demonstriert darüber mit ihren gelb-grünen Baumwoll-Fliegenbändern die Verwandlung von „Todesstreifen“ in ästhetische Schmuckobjekte.

 

Marion Ritzmanns Angriff auf das Kausalgefüge: „The space between“, 2010

„The space between“ heißt die Skulptur von Marion Ritzmann, ein herrliches Spiel mit quasi kriminalistischen Erzählfragmenten: das Schussloch in der Vase, das Projektil in der Wand dahinter. Doch die Rückseite der Fayence ist unversehrt. Auf unterschiedlichen Interpretationsebenen geht es hier um den „space between“, verstanden als zeit-räumliche Lücke im Kausalgefüge. Interessant auch die dreidimensionale, in den Raum greifende Wandmalerei von Yvonne Mueller. „Rothen“, die Arbeit ihrer Kollegin ]eannette Mehr im Obergeschoss, bezieht sich auf das Dach eines geheimnisvollen Turmes in ihrem gleichnamigen Heimatort bei Luzern, allerdings geht sie, wie sie sagt, den Weg des Architekten rückwärts, indem sie das Gebäude auf seine flächige Grundstruktur reduziert.

 

Die feinrhythmischen Zeichnungen von Sandra Rau korrespondieren inhaltlich mit ihrem surrealen Mob, der sich zum Aufwischen ebenso wenig eignet wie Kaspar Buchers Liegestuhl zum Entspannen nach getaner Arbeit. Vielmehr erinnert das kuriose Gestell an die Foltermaschine aus Franz Kafkas „Strafkolonie“.

 

In den zwei kurzen Videoanimationen von Daniela Brugger gerät das Thema der sich bedrohlich emanzipierenden Dingwelt in hektische Bewegung: Zeichnungen grotesker Insekten spulen sich von der Klo-Rolle, werden vom gefräßigen WC verschluckt; turbulente Kabel scheinen einen Liebesakt mit einem nackten Männerkörper zu vollführen. Kunst und Dingwelt, Alltag und Kunst werden austauschbar. Aber gerade in dieser kreativen Vertauschung liegt das genussvoll zelebrierte Irritationsmoment. Nichts ist, wie es scheint. Und das ist gut so. 

 

Stefan Tolksdorf, BZ 2010-02-04

 

T66 Kulturwerk, Talstraße 66, Freiburg. Bis 21. Februar, Donnerstag, Freitag, Sonntag 14-18 Uhr.